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FÜNF ÖFFENTLICHE FRAUEN
Fünf - weil ich ihre Zahl begrenzen muß: Überschaubarkeit anstrebe. Öffentlich - weil sie sich selbst öffentlich gemacht haben durch ihren Auftritt, durch ihr Erscheinen in meinem Gesichtskreis. Frauen - weil ich mit Männern weniger 'anfangen' kann.
L/AURE/A
NAOMI
STACEY
LOLA
AMAZONIA
Anmerkungen

Um einen >aussagekräftigen< Körper herum einen Text anordnen - Welchen Sinn sollte das haben?  -  Für mich den, daß ich mir klarmachen kann, wie ich 1. einem Gegenstand (Bild, Photo, etc.) und 2. (gleichzeitig) einer Person begegne. Die Auswahl ist zufällig; die Bilder habe ich für meine Bedürfnisse (geringfügig bearbeitet.
      A U R E
L/                  /A
die eigenen Grenzen nach innen über-schreiten - 
WER von uns möchte denn nicht einmal in seinem Leben NORMAL sein ... unverwechselbar und zum Verwechseln ähnlich allen anderen Passanten ... strömen und sich verströmen im Treibsand der Großstadt ... den Körper in eine Kampfpose zwängen ... so unfrei ... so frei ... so schön (...)
ich verändere dein Bild, passe es meinen (unbeschreiblichen) Bedürfnissen an, die du nicht erfüllen willst und kannst ... EVA ... Mutter und promovierte Hure (ein neuer Berufs/STAND, der sich inflationär ausbreitet) - also: pass auf! sieh dich vor! ... good girls go to heaven, bad girls go everywhere (...)
Rück näher! Komm zu mir in mein Fegefeuer! Laß uns die Seelen reinigen mit immer neuer Sünde, die uns dann unbesiegbar macht. Kein einig Mensch wird unsre Seligkeit mißachten! Laß strömen deinen KörperReiz, entflamm die Säfte & die Kräfte, brich mit mir durch nach vorn, dorthin, wo uns niemand findet und uns der Tod zuguterletzt die Sinne raubt ...
...  EVA  /  LEBEN  /  LIEBE  ...

N A O M I
KörperBastion  //  Höhepunkt der Fortifikation, aber  //  nicht unbedingt Forschungsobjekt für Onkel Toby  //  geformt von >Künstler<Händen - gebildeter Body  //  hirnabgewandte Seite der Sonne  //  dem Feind entgegengepflanzt  //  Auf! Auf! Kameraden - erstürmen wir sie!  //  Legt an die Leitern! Bergsteiger, Messner-Gesellen ...  //  Mobilisiert eure letzten Reserven!  //  Die Länge der Beine garantiert  //  einen schwierigen, aber aussichtsreichen Aufstieg.  //  Ach-tung!  //  Sie trägt abgeschlagenen Köpfe im Korb  //  zahlreiche Blutspu-ren hinterlassend

(...)

O große Mutter!  //  Mächtig sind deine Reize  //  du drängst uns den Körper entgegen: empfangsbereit? abweisend?  //  O großes Tabu!  //  rufst nur den einzigen Wunsch hervor  //  dich zu zerpflücken  //  nach allen Regeln der Kunst  //  Du Mittelpunkt meiner momentanen Phantasieproduktion  //  enthüll uns das Letzte  //  erschreck uns zu Tode  //  mit deinem Geschlecht  //  Unter dir ist mein Grab schon geschaufelt  //  komm her und schließ es ...

 


S T A C E Y
Was soll mir zu dir schon einfallen?
- du Kriechtier ...
mach nur deinen mißmutigen Mund
nicht auf    -
                - halt ihn geschlossen
Ach Scheiße!
Warum soll ich eigentlich immer
zurückhaltend sein.
Gewiß - meine Optik ist schief
mein Blick ist alles andere als klar
meine EinSTELLUNG (wahrscheinlich)
deiner entsprechend (allerdings nur mental)
meine Liebe
entfern die letzten Schleifen
leg offen    -
                 - dein wahres 'Gesicht'
Auf gehts!
Kriech - wenn du willst
nur immer zu
in meine Richtung
Ich werde dir schon
den richtigen Empfang
bereiten
meine Liebe
Warum nur kriechst du (ich hoffe freiwillig) zu Kreuze
dein Hundeblick erschüttert mich nicht - DU
richte dich auf - greif an - zerstör
meine und viele andere Bilder

L O L A   (red, white & blue)
mein Kind mein Kind
darf ich dich darf ich dich
auf meinen meinen meinen
Schoß [oder was auch immer] nehmen
und dann ... und dann ...
was machen wir dann ... ???
o  -  dein Mund
o  -  deine Augen
versprich mir nichts
überrasch mich mit deinen Möglichkeiten
wild   tabulos   exklusiv   verspielt
die Nummern: wie soll ich sie (im Kopf) behalten
und:  wie kann ich wählen?
Bleibt mir überhaupt: eine Wahl?

Ich ruf dich an
und komm nicht durch

ein anderes Bild schiebt sich vor -
                                                  -   und
legt sich drüber, verdeckt, entdeckt und vermischt
Konturen, Einzelheiten, Eindrücke und

ein neues Bild entsteht:  [L]aur/ol[A]
Übereinstimmungen mit der Wirklichkeit sind beabsichtigt
Vergangenheit legt sich über die Gegenwart
und die Zukunft hat (wieder einmal) ausgespielt
Annonymphe - versüß meine alten Tage
mit Candy, mit Cindy, mit Coca & Cola
(meinetwegen) ...
abgewendet im leeren Schatten
dumpf hallt ein Wort aus fernen Zeiten
geht an meinem Ohr vorbei
und trifft das Nirgendwo im Allgemeinen
[mein Herzchen! welch blöde Worte
richte ich an dich?!
Komm zu mir
sprich mit mir
sicher hast du ein feines Händchen
das viel weiß und findet
und eindringt ins Präservat
der geheimen Wünsche
Höhlen ...  Moose ... Gewässer ... Gerüche ...
Zeig mit den Ort ... Laß uns treiben
in den kitschig rosaroten Sonnenuntergang
Zeig mir den Ort ... Laß triefen
das Schmalz der falschen Gefühle
den Schmelz des verlogenen Zungenschlags
Nie werden wir
zusammenkommen
Nein! Nein!
mit ernsthaften Vorschlägen
darf ich dir nicht kommen  -
du könntest mich beim Wort nehmen
und mich festnageln
Aber  -  verdammt noch mal  -
ist denn nichts möglich zwischen uns?
Ah - vielleicht `ne Rolle im neuesten »Tatort«
tragisch-komische Beziehungskiste
zwischen älterem Herrn und junger Annonymphe
und wir  -  wir suhlen uns
in den bekannten GemeinPlätzchen
... Ade, mein Liebchen ...
ich geh nach haus
und laß dich hier zurück
red, white und jetzt noch blue
- wird wohl nicht anders gehn ...
muß also einen Umweg einschlagen
über tausend Brücken gehn
und meinen Weg von tausend Leichen
pflastern lassen ...
oh leck ...
                 warum läßt du mich nicht gehn?
                 warum
                 warum
keine Antwort nirgendwo und nirgendwann
lost girl  -  lost generation  -  blue
verlorener SonnenUntergang
aufkommend Regen & Wind (auch das noch)
heimschlurfend: durchgedreht, durchgefroren und vollgedröhnt
unter die Decke geschlüpft  -  Vergessen geprobt
rasende Bilder ... Überholmanöver mitten im Hirn
nichts wärmt ....

Solange die Träume schwarz/weiß bleiben
und nicht farbig-bunt
Solange die Richtung stimmt
und du nicht seitenverkehrt auf mich zukommst
Solange deine Haare blond
und nicht verräterisch strohfarben ...

solange ...
ich noch ... träumen kann ...
............................................

Du wechselst den Namen
aus Laura wird Lola
aus Lola wird Laura
und so weiter ohne Ende
bis die Erschöpfung
endlos ist und grundlos und
............................................


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ANMERKUNGEN

Fünf Öffentliche Frauen

Das Motiv steht in der Vorbemerkung.  -  L/AURE/A wurde geschrieben am 7. November 1984. - EVA lebt in: La Femme Normale - Buch und Regie: Virginie Thévenet, Kamera:  José Luis Alcaine; mit Aure Atika, Jean-Francois Balmer, Philip Bartlett, Claude Chabrol, Rosy de Palma u.a., Frankreich 1993.  //  NAOMI habe ich am 8. 11. 1993 im Spiegel gefunden. Der Text entstand in den vier darauf folgenden Tagen.  //  STACEY trieb sich im November-Heft des Penthouse herum. Ich habe sie herausgerissen aus diesem Zusammenhang. Der Text entstand am 15.-20.11.93.  //  LOLA bot sich an in einer (der?) November-Nummer der Münchner 'Szene-Zeitschrift' Prinz. - Der Text entstand im November / Dezember 1993 (unter großen, unerwarteten Schwierigkeiten).  // Die Amazone streifte durch Die Woche vom 11.11.1993. - Der Text entstand im wesentlichen am 20.11.1993.